NRW soll kein Schlusslicht bleiben!

Patienten in Nordrhein-Westfalen sind fehl- oder unterversorgt, wenn es um neurologische Frührehabilitation geht. Über 500 Betten fehlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands. Grundsätzlich ist deutschlandweit von einem demografisch bedingten Anstieg des Rehabilitationsbedarfs auszugehen.

Doch während in anderen Bundesländern diese Entwicklung an den abgerechneten Fallzahlen der Kostenträger sichtbar wird, stagnieren in  Nordrhein-Westfalen  die  Zahlen.  Unter  zwei  Fälle  je  10.000  Einwohner  wurden hier  sowohl 2005 als auch 2009 abgerechnet, wie aus den Unterlagen des GKV Spitzenverbandes „Früh-Rehabilitation im Krankenhaus aus Sicht der Kostenträger“ vom 28.6.2011 hervorgeht.  „Neurologische  Frühreha-Wüste“  nennt  Dr.  Ursula  Becker  Deutschlands  bevölkerungsreichstes Bundesland mit Blick auf die Grafik der GKV. Die Geschäftsführerin und Inhaberin der Dr. Becker Klinikgruppe kämpft seit Jahren für mehr Plätze in der neurologischen Frühreha in Nordrhein-Westfalen. „Wir müssen Versorgungssicherheit herstellen. Erkrankungen, für  die  ein  Bedarf  an  neurologischer  Frühreha  besteht,  werden  weiter  zunehmen.  Der  IAT Trendreport von 2011 prognostiziert allein für die Schlaganfallhäufigkeit von 2006 bis 2025 eine Steigerung in bestimmten Versorgungsgebieten von NRW bis über 35 Prozent. Wenn wir nicht wollen, dass ein Großteil der Betroffenen zu dauerhaften Pflegefällen wird, müssen wir eine flächendeckende fachspezifische Versorgung im Land ermöglichen!“

Vergangene Woche hat sich die 47-jährige deshalb mit Vertretern und fünf weiteren Kliniken des Landes zusammengetan und die Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation NRW (LAG) gegründet. Ziel der LAG ist es, die neurologische Frührehabilitation Phase B in Nordrhein-Westfalen  auf  den  Stand  anderer Bundesländer  zu  bringen  und  das  fachspezifische Angebot  an  die  tatsächliche  Bedarfslage  anzupassen.  „Wir  wollen  in  der  Öffentlichkeit  ein Bewusstsein für die Fehl- und Unterversorgung im Hinblick auf die neurologische Frührehabilitation  in  Nordrhein-Westfalen  schaffen“,  erläutert  Becker.  „Handeln  kann  dann  nur  die Landesregierung.  Sie  muss  im  neuen  Krankenhausplan  die  entsprechenden  Ressourcen bereit- und endlich Versorgungssicherheit für die Patienten herstellen.“ Diese ließe sich nach Ansicht der LAG auch erzielen, wenn die Rehabilitationskliniken im Land die Zulassung für die  neurologische  Frühreha  Phase  B  erhielten.  Durch  die  Kapazitäten  der  Kliniken,  die  zu dieser leistungsintensiven Behandlung schon lange sowohl technisch als auch fachlich in der Lage seien, ließe sich in NRW Versorgungssicherheit herstellen.

Die Versorgungssituation in NRW

In Nordrhein-Westfalen befinden sich derzeit 154 Betten der neurologischen /fachübergreifenden Frührehabilitation sowie 66 Betten für Schädelhirnverletzte an Krankenhäusern. Darüber hinaus haben zwei Einrichtungen in NRW zusammen knapp 100 sogenannte Phase B-Betten gemäß § 111 SGB V. Das heißt, insgesamt kommt in NRW auf 55.000 Einwohner ein neurologisches  Frührehabett.  Zum  Vergleich:  In  Thüringen  ist  es  ein  Bett  pro  12.000  Einwohner. Im Bundesvergleich bildet Nordrhein-Westfalen mit diesen Werten das Schlusslicht.  „Schon jetzt können Patienten, insbesondere bei den Diagnosen Hirninfarkt und Schlaganfall, aus Kapazitätsgründen nicht mehr in nordrhein-westfälischen Frühreha-Betten versorgt werden.  Sie  werden  nach  Hessen  und  Niedersachsen  verlegt  oder  einfach  in  Betten  versorgt, die keine Frühreha-Zulassung haben. Besonders schlecht sieht die Versorgungslage für Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Traumata aus“, fasst Prof. Dr. Dr. Paul W. Schönle von  der  Maternus-Klinik  für  Rehabilitation  und  ebenfalls  Gründungsmitglied  der  LAG,  die aktuelle Lage in NRW zusammen.

Kostengründe dürften es nach Meinung der LAG nicht sein, die die Landesregierung bisher davon abgehalten habe, weitere neurologische Frührehabetten im Land zu schaffen. Zumal dies eh eine Milchmädchenrechnung wäre, so Becker: „Ziel der Reha ist es, die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen abzuwenden und ihm – um es mit den Worten unseres Gesundheitsministeriums zu sagen – ein, ‚selbstbestimmtes Leben in solidarischer Gemeinschaft’ zu ermöglichen.  Hier  erzielt  die  moderne  Neurorehabilitation  große  Erfolge.  Kommt  sie  nicht zum  Einsatz  und  die  Pflegebedürftigkeit  tritt  ein,  wird  das  für  alle  Beteiligten  im  Endeffekt sehr viel teurer.“ Der neue Krankenhausplan NRW wird aktuell beraten und tritt voraussichtlich Anfang 2013 in Kraft.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation NRW

Gründung am 09. Juli 2012. Mitglieder: Dr. Ursula Becker, Bastian Liebsch (Dr. Becker Klinikgesellschaft mbH & Co.KG), Thomas Bold, Dr. Thomas Brand, Detlef Bätz (Gräfliche Kliniken, Marcus Klinik GmbH & Co. KG), Prof. Dr.  Dr.  Paul  W.  Schönle,  Johannes  Assfalg  (MATERNUS-Klinik  für  Rehabilitation  GmbH  &  Co.  KG),  Wiebke Weißmann,  Prof.  Dr.  Mario  Siebler  (Fachklinik  Rhein/Ruhr  f.  Herz-/Kreislauf-  u.  Bewegungssystem  GmbH  & Co.KG), Prof. Dr. Stefan Knecht (St. Mauritius Therapieklinik Meerbusch gGmbh), Dr. Alexander Hemmersbach (Johanniter-Ordenshäuser  Bad  Oeynhausen  gemGmbH),  Dr.  Markus  Ebke,  Dirk  Schaffrath  (Rhein-Sieg-Klinik, Dr. Becker Klinikgesellschaft mbH & Co.KG)  

 

Weitere Informationen unter: www.neuroreha-nrw.de

 

Foto: Die Mitglieder des LAG.

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Die Mitglieder des LAG.